Bewegter Ort durch alle Zeiten
Das kann man sich gut gefallen lassen: Frühstück mit bestem Kaffee im Okna in der Ulica Józefa in Krakau. Hier im Stadtteil Kazimierz im Weichselbogen in der südöstlichen Altstadt scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Das Okna ist voller Geschichten und Geschichte – innen Werke der früheren polnischen Malerin und Bildhauerin Maria Jarema, außen flankiert von alten Synagogen aus dem 15. Jahrhundert. Bis zum Zweiten Weltkrieg lebte in diesem Viertel vor allem die jüdische Bevölkerung Krakaus. In der Nachkriegszeit war es weitgehend dem Verfall überlassen, nun wird es allmählich saniert und ist im Begriff ein Ausgehviertel zu werden. Sein alternativer Charakter, die bunte Künstlerszene, charmante Cafés und geheimnisvolle Lost Places machen das Kazimierz zum reizvollen Geheimtipp – längst wird seine wertvolle Geschichte bewahrt, denn das „In-Viertel“ ist seit 1978 Teil des Welterbe-Objekts Krakau.
Die Stadt, etwa vergleichbar groß wie Frankfurt und durch eine Partnerschaft mit meinem Bembeltown am Main verbunden, ist ausgesprochen wuselig und lebendig. Viele junge Leute in den Gassen, Gässchen, Parks und Prachtstraßen. Es heißt, 60 Prozent der Einwohner der Stadt seien jünger als 45 Jahre alt. Hier hat die zweitälteste mitteleuropäische Universität, die Jagiellonen-Universität, ihren Standort, gegründet 1364. Durch die Jahrhunderte blieb Krakau weitgehend von kriegerischen und anderen Zerstörungen verschont, daher prägen Bauwerke aller Zeitepochen das Stadtbild – Romanik, Gotik, Renaissance, Barock, Klassizismus, Jugendstil, Art Déco, Moderne. Unzählige Palais, Kirchen und Museen jeden Stils. Ein Eldorado also für Freunde der Architektur und Kunstgeschichte. Die berühmten Tuchhallen im Zentrum der Altstadt beispielsweise gelten als größter Renaissance-Bau dieser Art. Einst dem Textilhandel gewidmet, dominiert heute statt edler Tuche viel Klimbim samt Allerlei die Verkaufsstände, das Übliche also. Gleichwohl: Ein edles Reiseziel ist die südpolnische Kulturmetropole auf alle Fälle, und da sie seit 2013 auch den prestigereichen Titel Unesco-Literaturstadt innehat, fühlte sich meine bibliophile Seele wohl. So wie viele andere auch: Als eine der wirtschaftlich erfolgreichsten Städte Polens, die obendrein geografisch günstig liegt, finden im Umkreis von 100 Kilometer rund acht Millionen Menschen hier ihr Zuhause.